Sofie Seliger

Verfasser: Manfred Brösamle-Lambrecht

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Sofie Gutmann wurde am 1. Juni 1881 als Tochter von Hermann (1851-1899) und Regine Gutmann geb. Adler (1849-1936) in Creglingen geboren. Aus ihrer Korrespondenz mit ihrem Sohn wissen wir, dass sie mindestens fünf Geschwister hatte, die vor 1940 mit ihren Familien in die USA auswanderten.

Familiengründung

Sofie Seliger

Sofie heiratete 1908 den einunddreißigjährigen jüdischen Lehrer Arnold Seliger, mit dem sie 1913 ihren Sohn Magnus Meir bekam. Die Familie lebte in Neustadtgödens in Ostfriesland, wo Arnold eine Anstellung als Lehrer der jüdischen Gemeinde hatte; als diese wegen des Schrumpfungsprozesses der Gemeinde 1924 wegfiel, siedelte die Familie nach Weener/Ostfriesland um; von dort führte der Weg nach Lichtenfels, wo Arnold ab Juli 1925 als Lehrer, wohl auch als Prediger und Kantor fungierte

Schächterhaus Judengasse 14 (Zustand ca. 1955)© Stadt Lichtenfels
Schächterhaus Judengasse 14 (Zustand ca. 1955)

Die Familie wohnte im Erdgeschoß des sog. „Schächterhauses“ in der Judengasse 14 neben der Synagoge. Dieses Haus gehörte der jüdischen Gemeinde.

Leben unter der NS-Diktatur

Sohn Magnus sah bereits 1933 keine Zukunft mehr in Deutschland und zog über Bamberg nach Straßburg, wo er sich für die Auswanderung nach Palästina vorbereitete. Ende 1933 emigrierte er und nahm in dem Ort Ramat Gan nahe Tel Aviv die palästinensiche Staatsbürgerschaft an. Nach schweren Anfangsjahren etablierte er sich dort und gründete eine Familie. Die zahlreich erhaltenen Briefe, die Arnold und Sofie an ihren Sohn schrieben, zeigen Sofie als fürsorgliche, um das Wohlergehen ihres Sohnes besorgte Mutter, die ihm Ratschläge für alle Lebenslagen, Kleidung und tlw. auch Geld übermittelte.

Brief Sofie Seliger
Brief Sofie Seliger

Die Bedrängnisse durch den staatlich gewünschten und organisierten Antisemitismus erfuhren die Seligers noch intensiver als andere, war ihre berufliche und wirtschaftliche Basis doch eng mit dem jüdischen Kultur- und Gemeindeleben verknüpft.

Das Ehepaar Seliger hatte 1934 ein Haus in Bamberg gebaut, das sie vermietet hatten, ab dem 1. Dezember 1938 aber selbst bewohnen wollten. Dazu sollte es nicht mehr kommen.

Novemberpogrome 1938: Tod unter ungeklärten Umständen

Die Novemberpogrome zerstörten das Leben von Sofie und Arnold Seliger. Was genau am 10.11.1938 geschah, ist bis heute nicht beweisbar. Was man sicher weiß, ist, dass die Synagoge von einer johlenden Horde von NS-Schergen geschändet und geplündert wurde. Dann griffen sie die Wohnung der Seligers an. Arnold Seliger wurde in „Schutzhaft“ genommen, seine Frau blieb den enthemmten Tätern schutzlos ausgeliefert. Die gesamte Wohnungseinrichtung wurde auf die Straße geworfen und zerstört, Sofie Seliger mit Messern traktiert. Abends blieb sie verschwunden, erst am 3. Dezember fand man ihre Leiche im Main bei Reundorf. Die NS-Behörden sprachen von Selbstmord und schlossen die Akten.

Eine Anklage nach dem Krieg wegen Mordes und Vergewaltigung gegen bekannte NS-Schläger wurde mangels Beweises fallen gelassen.

Walter S.G. Kohn beobachtete Teile des Geschehens vom ersten Stock des Schächterhauses aus:

Unterdessen machte man sich an das Gemeindehaus selbst und schlug im Erdgeschoß die Fensterläden der Wohnung des Lehrers Seliger ein. Er kam im Hemd zu uns herauf. Seine Frau blieb unten und war dabei, als man alles, was man nur kleinhaken und zerreißen konnte, zerstörte. Bücher, Geschirr, Bettdecken waren in Fetzen und Scherben, entweder in der Wohnung selbst oder auf der Straße. Seliger […] ging nach Tagesanbruch auf die Straße und wurde für kurze Zeit verhaftet. Seine Frau traf der Verlust all ihres Eigentums schrecklich, besonders, da ihr Mann dann auch nicht wiederkam.

Aus eigener Erinnerung weiß ich nicht, was mit ihr geschah. Sie saß unter ihren Trümmern, als wir am Abend weggingen, war dann wochenlang spurlos verschwunden, bis man ihre Leiche bei Reundorf aus dem Wasser zog. Die Nazis sagten, es sei Selbstmord gewesen; ich weiß nur, dass sie ein paar Wochen vorher im Gespräch mit meiner Mutter sehr stark den Standpunkt vertreten hatte, dass man sich unter keinen Umständen sein eigenes Leben nehmen dürfe, auch wenn die Lage noch so trost- und hoffnungslos erscheinen sollte […]“