Berta Zinn

Verfasser: Julia Mehrmann, Antonia Voll und Manfred Brösamle-Lamprecht

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Tochter aus gutem Hause

Berta Zinn, Führerscheinbild
Berta Zinn, 1939
Abschlussklasse 1920
Abschlussklasse der Höheren Mädchenschule Bayreuth 1920

Berta Zinn wurde am 9. März 1904 als jüngstes von drei Kindern von Max Steinhäuser und seiner Frau Mina in Bayreuth geboren. Die Familie des erfolgreichen Vieh- und Güterhändlers stammte aus Burgkunstadt.

Berta hatte eine behüte­te Kindheit; nach der Volksschule besuchte sie die vornehme Städ­tische Höhere Mäd­chenschule Bayreuth (heute Richard-Wag­ner-Gymnasium) und schloss sie 1920 er­folgreich ab.

Am 1. Februar 1925 heiratete die 21 Jahre alte Berta den 14 Jahre äl­teren Stefan Zinn, der seit 1921 zusammen mit seinem Bruder Paul Zinn das renommierte, international tätige Korbhandelshaus Zinn in Lichtenfels leitete.

Die Familie Zinn war eine der wohlha­bendsten der gesamten Regi­on, dabei auch gesellschaftlich engagiert und anerkannt. Dass Berta schon 1925 den Führer­schein erwarb, zeigt auch ih­ren gesellschaftlichen Status.
 

Fünf Jahre später, am 5. Februar 1930, kam die erste und ein­zige Tochter Lieselotte zur Welt.

Unter dem Druck des NS-Regimes

Bild
Wohnhaus der Familien Paul und Stefan Zinn in der Lichtenfelser Bahnhofstraße (Bildmitte mit Turm)

Ihre gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung schützte die Fa­milie nicht vor dem zunehmenden NS-Terror. Die Zinns mussten ihre Firma liquidieren.

In der „Reichskris­tallnacht“ drangen organisierte NS-Schlägertrupps in die Wohn-und Geschäfts­räume ein und verwüsteten, was sie fanden. Tochter Lieselotte versteckte sich in dieser Nacht auf dem Dachboden. Bertas Schwager Paul vergif­tete sich in Panik und starb Tage spä­ter. Ihr Mann Stefan wurde drei Wochen lang in „Schutzhaft“ genommen. Danach war klar, dass die Familie aus Deutschland auswandern musste.

Zuerst brachten Berta und Stefan ihre Tochter in Sicherheit: Lieselot­te wurde nach New York zu einem Verwandten geschickt. Die Eltern folgten im April 1939 nach.
Auch Bertas Eltern versuchten auszureisen, aber sie schaffen es nicht mehr. Beide wurden 1942 zunächst in ein jüdisches Altersheim, dann nach Theresienstadt deportiert. Dort verliert sich die Spur des Vaters; die Mutter Mina wurde 1944 nach Auschwitz geschafft und dort ermordet.

 

Neustart in den USA

Berta und Stefan Zinn kamen völlig mittellos in den USA an. Die Familie war froh, im Hause des Witwers Jero­me Cahn und seiner Tochter Jenet Cahn in Brooklyn, New York, mietfrei wohnen zu können; als Gegenleistung arbeitete Berta als Haushälterin und erzog die junge Jenet, die in Lieselotte zudem eine Freundin fürs Leben fand.

Berta arrangierte sich mit der neuen Situation. Sie amerikanisierte ihren Namen zu „Bertl“ und begann, als Chauffeurin in New York zu arbeiten.

Berta Zinn mit Hund© Familie
Bertl Zinn (links) mit Tochter, Enkelkindern und Hund, ca. 1950.
Berta Zinn am Festtisch
Bertl ca. 1980

Ihrem Mann, der sich jetzt Stephen nannte, gelang es nach Jahren mit Aushilfsjobs, sein Know-How über Körbe zu nutzen: Er eröff­nete einen Korbhandel. Die Familie erwarb sich nach harten Jahren wieder Wohlstand.

Die erwachsene Tochter Lilo heiratete um 1949 Daniel Webster Braun und zog nach New Jersey. 1950 wurde Bertl erstmals, 1952 zum zweiten Mal Großmutter. Nach dem Tod ihres Mannes 1974 zog sie in eine Altersresidenz in der Nähe ihrer Tochter.

Die Enkelin Linda Pfeifer be­schreibt Bertl als eine Frau mit einer starken Persönlich­keit, so wie man es von ei­ner Überlebenden eines sol­chen Schicksals erwartet. Außerdem erinnert sie sich an Bertls große Liebe zu Hunden: Bertl ohne Hund - das habe man eigentlich nie gesehen.

Bertl und Lilo kamen noch ein­mal nach Deutschland in ihre frühere Heimat zurück. Diese Reise empfanden beide als so aufwühlend und anstrengend, dass sie auf weitere Besuche verzichteten.

Bertl Zinn starb 1997 im Alter von 93 Jahren.